Mittwoch, 4. April 2007

BRD - Hong-Kong - BRD

Liebhaber klassischer Musik haben einen Feind: Die freie Wirtschaft. Denn dort kommt es vor, dass kleine aber feien Labels mal von den "großen" geschluckt werden. Wenn man Glück hat, passiert's, dass die Aufnahmen dann irgendwann mal wieder aufgelegt werden, meist (und das sind in der Regel die interessantesten Aufnahmen) landen die allerdings im Archiv und verstauben dort.
Will man also diese vergriffenen Aufnahmen haben, dann ergeben sich mehrere Möglichkeiten:
  • Warten und Briefe an das Label schreiben schreiben, diese Aufnahmen ddoch BITTE BITTE wieder aufzulegen (idR aussichtslos)
  • Rechte der Aufnahmen kaufen und die CD im Eigenverlag herausbringen (nur für vermögende Sammler geeignet, außerdem zu den Preisen kann man die Aufnahme auch gleich komplett neu einspielen, wenn denn der Künstler noch lebt)
  • Die Aufnahme bei einem Sammler kopieren lassen (günstig, aber nur bedingt legal, wobei: interessiert eh keine Sau mehr)
  • Augen aufhalten und hoffen, die CD gebraucht irgendwo zu ergattern
Letzeres habe ich (schon mehrmals getan) und da ist mir folgendes passiert:

Beim unverbindlichen stöbern auf ebay stolpert man doch tatsächlich auf eine solche vergriffene, seit langem gesuchte CD. Man rechnet mit hohen Einstiegs-Preisen, aber oh Wunder: Startpreis 1 GBP und noch keine Bieter in Sicht, trotz bereits seit mehreren Tagen laufender Versteigerung. Das hat aber nix zu sagen, da der erfahrene Ebayist sich ja erst im allerletzten Moment auf seine Beute stürzt.
Aber moment: GBP?! Wo kommt denn der Anbieter her, der da ahnungslos Sammlerstücke verscherbeln will? ---
Hongkong... soso... tja...
Durch den Kopf rattern gerade sämtliche verwerfliche Vorurteile, die die Bereitschaft eines Gebots bremsen und die nur durch die Frage "Wie kam denn diese CD eines kleinen aber feinen Labels mit massenuntauglicher Orgelmusik aus Deutschland ausgerechnet nach Hong-Kong?!" beiseite gedrängt werden.
Die vorgegebenen Versandkosten von 5 GBP erklären sich somit übrigens auch. Gut. Man beschließt, zumindest mal den Artikel im Auge zu behalten und macht sich die folgenden Tage gelegentlich mit spitzem Bleistift an währungswechselkursmäßige Berechnungen:
Gesamtkosten (EUR) = (Gebot GPB + 5 GBP) / 0,68
Bei einer geplanten Gesamtausgabe von max. 10 Euro ergab sich somit das Maximalgebot von etwa 1,8 GBP, was zugegebenermaßen ein recht kleiner Rahmen ist.
Die Stunde der Wahrheit kam: nur noch wenige Stunden... Minuten bis zum Auktionsende. Immer noch keine Fremdgebote. Man gibt mutig sein Maximalgebot ein und es kommt zu dem legendären „Drei… Zwei… Eins… MEINS!“
Man wundert sich noch etwas über die vielen verschiedenen Möglichkeiten der westlichen Schreibweise asiatischer Namen und bezahlt (zugegebenermaßen immer noch etwas kritisch) mit dem frisch eingerichteten PayPal-Konto (eigentlich doch was praktisches) und fragt sich: Wird die CD denn jemals ankommen? Hong-Kong ist ja weit weg und wer weiß ob die CD nicht verloren geht oder von einem orgelmusikbegeisterten Postboten oder Zollbeamten als Dauerleihgabe in Beschlag genommen wird? Vielleicht gibt's die CD ja auch gar nicht und dahinter steckt ein planmäßig organisierter Massenbetrug an Klassikliebhabern durch die Chinesenmafia. Das kennt man ja auch alles aus dem Fernsehen...
Nun ja, man vertraut auf das Gute in den Menschen und ergibt sich seinem Schicksal. 10 Euro kannman ja verschmerzen und zur Not haut man auf der Strasse jemanden über's Ohr.
Aber tatsächlich… nach einigen Wochen kommt da tatsächlich die CD aus Hong-Kong an. In guten gebrauchten Zustand für 1 GBP und 5 GBP Versand...
Aber am meisten freut mich, dass die CD wieder in ihrer „Heimat“ ist. ;)

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