Musik & Theater

Donnerstag, 15. Juni 2006

Lady Macbeth von Mzensk

So, endlich mal ein paar Eindrücke von der Premiere Lady Macbeth von Mzenskin Mannheim.
Also, die Umstände waren mal wieder etwas ungünstig: es war mal wieder sehr heiß und zu allem Überfluss habe ich noch eine Bügelschraube an Meiner Brille verloren, so dass ich die Brille die ganze Aufführung über auf der Nase balbacieren musste, sonst hätte ich nur die Musik genießen können (saß in der letzte Reihe) :( Aber das ließ sich ja dank dem dunklen Theaterraum gut verbergen (die Zuschauer um mich herum müssen mich für vollkommen eitel oder bescheuert gehalten haben, dass ich immer, sobald das Licht anging, die kaputte Brille weggesteckt habe *g*) Aber mittlerweile ist die Brille wieder repariert :)
Premieren sind ja immer wieder was spannendes und diese Premiere verhieß schon allein wegen der freizügigen Handlung aufregend zu werden: Das typische >60 Jahre.Premieen-Publikum wird mit Mord, Sex und Gewalt únd kaum melodien-seliger Musik konfrontiert. Leider wurde ich enttäuscht, denn es ging zwar hin und wieder ein Raunen durch die Menge, aber die meisten blieben, gerade mal ein halbes Dutzend Leute verlieen während der Aufführung die Oper und am Schluss gab es mehr Applaus als Buhs (es gab witzige Echo-Effekte Buh! - BRAAVOOO!! - Buh! BRAAAVOOOO! usw.).
Musikalisch und von der Personenregie fand ich die Inszenierug gut bis sehr gut. Teilweise fand ich die Sexszenen zuviel des guten, da geht die Wirkung der auskomponierten Szene einfach verloren, aber der viele Sex gehörte wohl ins Konzept der Regie.
Sängerisch war es durchwachsen. Es war ein bissl komisch, Jayne Casselman in der Titelrolle zu erleben, wenn man sie noch als Isolde im Kopf hat. Grandios war Mihail Mihailov als Boris.
Richtig Krach gemacht hat das Orchester. Einfach toll, diese Musik mal live zu erleben (da kommt eine CD nicht mit). Sehr interessnt gemaht war die Platzierung der zusätzlichen Blechbläsergruppe (quasi der "Nachbrenner") rechts und links in den Logen. Die Leute, die nebendran gesessen haben, taten mir leid *G*
Nicht so richtig warm werden konnte ich mit dem Bühnenbild. Ok, so übel ist die Idee nicht, das ganze im sozialistisch heruntergekommen Rußland der 90er Jahre spielen zu lassen, aber wieso musste dann die Mülldeponie im letzten Bild sein? Und vor allem wieso wurde da der unglaublich bewegende Chor hinter der Bühne gesungen?! Einer der besten Effekte wurden da verbaut...
Kurz: Sexszenen, Vergewaltigungen, Folter, Mord, ein besoffener Pope, spritzendes Blut und eine Leiche - alles war dabei und sorgt für großartige Unterhaltung!

Pausengesprächsfetzen:

- Also ich find's ganz toll!
- Also nein! Sowas... (traumatisiertes kopfschütteln)

- Ich habe das Stück ja hier schon vor ein paar Jahren gesehen...
- Ahja? Wurde das damals auch so derb inszeniert?
- Ja schon.... nur etwas anders...

- ...also diese Zwischenspiele sind quasi symphonisch...

- ...ganz fantastisch...

- (Blick in den Zuschauerraum) Och, sind ja doch recht viele Leute geblieben!

Premierenfeier:

Auf der Premierenfeier glänzte die Intendantin Regula Gerber in ihrer Laudatio durch einige Stilblüten:
Nicht nur hob sie das "tenorale Timbre" des Tenors(!) Charles Reid (Sinowi) besonders hervor, sondern verhaspelte sich in einem Satz über die Kostümbildnerin Kathi Maurer grammatisch derart, dass "in den Kostümen ihre [!] Geschmacksverwirrtheit" ausgedrückt wurden. Gemeint waren die Verwirrtheit der Figuren, nicht der Kostümbildnerin...

Und abschließend noch ein paar nette Zitate aus der Presse:

Mannheimer Morgen:

Was macht dieses Stück Bosheit, diese neun Bilder menschlicher Niedertracht und sexueller Archaik so skandalös, unerträglich und grässlich, dass einige Menschen polternd und Türe schlagend aus dem Nationaltheater Mannheim hinausstürmen wie einst Josef Stalin anno 1936?

Nun ja, nicht nur das das ältere Ehepaar von der Musik/Inszenierung angepisst war und sich türeschlagend davon
machte, jetzt wird es auch noch mit Stalin verglichen *lol*

[Der Regisseur] Knabe zeigt die Geschichte um die sich langweilende lethargische Kaufmannsgattin Katerina, die betrügt, dann tötet und am Schluss selbst betrogen wird, in einer Art modernem Naturalismus, der dem Besucher schlicht die Augen und Sinne öffnet - und nichts erklärt, denn das besorgt ohnehin Schostakowitschs hypersuggestive Klangsprache, die mit einem Bollwerk durchaus dissonanten Materials selbst das Schrumpfen der Schwellkörper im männlichen Glied nach der Ejakulation noch mit einem motivischen Kommentar versieht, einer glissandierend abstürzenden Posaune.

Schau an, der Kritiker hat die Musik verstanden und demonstriert seine stilistische Offenheit ;)

Echo Online:

Mord, dass das Blut spritzt, Folter im Polizeiquartier, brutale Vergewaltigung und vulgäre Sexszenen satt machen die Neuinszenierung zu einem Fest für Voyeure.

Also jetzt wird man schon als Spanner bezeichnet, nur wiel man gern in diese Oper geht. Mache ich mich jetzt verdächtig, nur weil ich ein Opernglas für die letzte Reihe mitnehme?!

Montag, 12. Juni 2006

György Ligeti ist tot

Die meisten werden fragen: Wer ist DAS den? Noch nie den Namen gehört!
Nun ja, den Namen vielleicht nicht, aber Musik, die er geschrieben hat. Ligeti war einer der bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Und wenn ihr mal Stanly Kubricks "2001 - Odyssee im Weltraum" oder "Eyes Wide Shut" gesehen habt, dann habt ihr garantiert auch Musikwerke von ihm gehört (z.B. die Hintergrundmusik zu den abgefahrenen optischen Effekten der Zeitreise in "2001").
Ligeti verstarb diese Nacht in Wien. Werde ihm zu Ehren gleich mal was hören...

Samstag, 10. Juni 2006

Fussball-WM und Puccini in 16:9

Gestern war also das große Auftakt-Spiel der WM, sogar mit Deutschland. Und wir haben (natürlich) gewonnen. Freut mich sehr, aber ich bin ja eher ein Fussball- bzw. Sportmuffel.
Hier im Wohnheim wurde im Hof auf der Wiese ein Fußball-WM-Fest gemacht. Dazu wurden zwei Gartenzelte aufgebaut (das war gar nicht so einfach *g*), Kühlschrank, Stühle und TV aufgebaut und dann schauten schließlich über 30 Mann kollektiv Fussball. Als die dann zu Beginn versuchten, die deutsche Nationalhymne zu singen, ging mir so richtig "das Herz auf": Man war sich zwar über den Text, nicht aber über die Tonhöhen/Tonart einig - uuuuh!

Da man seit 1990 weiß, dass Musik und insbesondere Puccini (Pavarotti singt Puccinis "Nessun dorma" aus Turandot zur WM) sehr gut zu Fussball passen, hatte ich keine moralischen Bedenken, anstatt der zweiten Halbzeit den ersten Akt von Puccinis "Madama Butterfly" im Nationaltheater live anzuschauen - da bekommt auch viel einfacher Karten für ;)
Kurz: ich war von der Inszenierung und der Aufführung hin und weg. Es war eine Repertoire-Vorstellung mit einer streng genommen eigentlich eher "langweiligen" und biederen Bilderbuch-Inszenierung in Breit-Bühnen-Format: man hat sich in einer quasi original eingerichteten japanischen Wohnung mit Paravants und Sitzkissen wiedergefunden, Meer und Garten im Hintergrund, die Sänger liefen in realistischen Kostümen wie um 1900 rum - einfach scheeen! Mir hat's gefallen (obwohl es mir eigentlich gar nicht gefallen dürfte *g*).
Musikalisch war es auch toll. Das Ensemble war sehr gut, allen voran Ludmila Slepneva in der Titelrolle war sehr beeinduckend, als Mozartsängerin hatte sie mich im Figaro aber weniger überzeugt. Dirigiert hat Michael Korth.

Also: an alle, die eine Einstiegsoper suchen: Madama Butterfly wäre sehr zu empfehlen! Mal sehen. wie es am Sonntag mit Lady Macbeth von Mzensk wird.

Dienstag, 6. Juni 2006

Spielplan

Heute Nachmittag habe ich mich mal zum Nationaltheater begeben um mich nach der Platzverfügbarkeit einiger Aufführungen zu erkundigen. Nstürlich bieb es nicht beim Erkundigen: Karten habe ich ergattert für

Freitag, 9.6. Puccini: Madama Butterfly
(Im Ausland stationierter Marinesoldat geht Scheinehe mit minderjähriger Japanerin ein und lässt sie samt Kind sitzen; als er zurückkomt begeht sie Hara-Kiri. 1 Tote.)

Donnerstag, 15.6. Wagner: Parsifal
(Jugendlicher Dorftrottel der von nix Ahnung hat, rettet Sekte vor dem aus und betätigt sich erfolgreich als Arzt. 2-3 Tote.)

Und mein persönlicher Favorit, auf den ich mich am meisten freue und jedem ans Herz lege:
Sonntag, 11.6. Schostakowitsch: Lady Macbeth von Mzensk PREMIERE!!
(Abgesehen von sexueller Nötigung, Ehebruch, Auspeitschungen und einiger Sozialkritk passiert folgendes: Die gelangweilte Katharina tötet den missliebigen Schwiegervater mit Rattengift, hat dann Affaire mit dem Großknecht Sergeij, beide töten dann ihren Ehemann; bei der gemeinsamen Hochzeit wird der Mord aufgedeckt und beide nach Sibirien ins Lager gesteckt, auf dem Weg dorthin bandelt Sergej mit einer anderen Gefangenen an und Katharina stößt die Konkurrentin von einer Brücke und springt dann selbst in den Fluss. 4 Tote.)

[Musikwissenschaftmodus on]
In dieser Oper finden wir eine sehr explizite musikalische Darstellung des Geschlechtsaktes auf der Bühne. *g*
[Musikwissenschaftmodus off]

Also, wer vielleicht auch mal etwas Kultur erleben will, ich empfehle Madama Butterfly (schöne Musik) und/oder Lady Macbeth von Mzensk (spannende Musik und Story).

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